„Am Tag darauf stand Johannes (der Täufer) wieder da mit zwei von seinen Jüngern, und er richtete seinen Blick auf Jesus, als er vorüberging und sagte: „Seht das Lamm Gottes!“
Die beiden Jünger hörten sein Wort und folgten Jesus.
Jesus aber wandte sich um, sah sie ihm folgen und fragte sie: „Was sucht ihr?“ Sie aber sagten zu ihm: „Rabbi (das heißt übersetzt: Lehrer), wo wohnst du?“
Er antwortete ihnen: „Kommt, und ihr werdet es sehen.“
Sie gingen nun mit und sahen, wo er wohnte, und blieben jenen Tag bei ihm. Es war um die zehnte Stunde. “ Joh.1,35-39, 4. Advent

Meditation: 

Im Mittelpunkt des Advents steht die prophetische Gestalt des Täufers Johannes.
Das Antlitz des Täufers ist herb. Er schockiert, er provoziert bis er schließlich
hinweist auf Jesus, dem Lamm Gottes, das „geschlachtet“ wird, wie das 
Paschalamm und die Lämmer im Tempel. Jeder Jude assoziierte das.
Also nicht ein Symbol des Niedlichen und Harmlosen. 

Ihm folgen die Jünger – zunächst Jünger des Johannes – ganz spontan. „Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnimmt“ (Joh. 1,29). 

Was für eine Botschaft! „Die Sünde der Welt …“ 

Wer kann den endlosen Zug von Leid, Not und Verzweiflung übersehen? 

Und doch ist einer, der ,,die Sünde der Welt wegnimmt!“ 

Hier mischt sich das Bild vom Paschalamm mit dem des alttestamentlichen Gottesknechtes: Der Gottesknecht, der unsere Krankheiten und unsere Schuld getragen Is.53, 4 und dem Gott die Schuld von uns allen aufbürdete Is.53,6, der Knecht, der die vielen gerecht macht, indem er ihre Schuld auf sich lädt. Is.53,11b

Ob die Jünger wissen, worauf sie sich einlassen, wenn sie diesem Lamm Gottes folgen? 

Wo wohnst Du Herr? – Kommt und seht; komm und sieh! 

In diesem Frage- und Antwortspiel, in dem es um den Lebensraum geht, in dem Jesus existiert, ist ihr Suchen, ihre Sehnsucht umfasst, ist die Spannung ihres Lebens eingefangen. Glaube ist immer der Anfang einer neuen Erfahrung, die damit beginnt „zu kommen und zu sehen“. 

Es gibt keine fixierten Antworten, jeder muss es selbst finden. 
Ja, wo ist Gott? 
Gerufen von Suchenden, gerufen von Leidenden, gerufen von Verzweifelten, gerufen von uns allen, die wir im Schatten des Kreuzes stehen. 

Ahnen die Jünger Marter, Kreuz und Tod bei ihrer spontanen Nachfolge? 

Es ist sein Geheimnis, wie das geschieht. „Kommt, und ihr werdet es sehen.“ 

Im Johannes-Evangelium sind diese Worte die ersten Worte, die Jesus zu den Menschen spricht. Sie sind eine Einladung. Diese ist nicht zu erzwingen.

Die großen geistlichen Lehrer und Lehrerinnen sagen einhellig, dass es für den suchenden Menschen nicht möglich ist, Gott aus eigenen Kräften zu finden. Immer ist es in ihrer Erfahrung ER, Gott, der ihnen zu einem Zeitpunkt, – sie wissen es noch genau: „um die zehnte Stunde“ das ist etwa gegen 16 Uhr- den sie nicht bestimmen konnten, entgegenkam und sie einlud. 
„Alles, was ich geschrieben habe, erscheint mir wie Spreu, verglichen mit dem, was ich geschaut habe und was mir offenbart worden ist.“ So beschreibt Thomas v. Aquin seine Erfahrung am Nikolaustag 1273, die sein Schweigen auslöste.
Seine und die Erfahrung vieler sagt uns, dass es immer ER ist, der uns das Geheimnis unseres Lebens offenbart. Immer ist es ER, der uns die Augen öffnet und uns die Herrlichkeit des Himmels schon in dieser Welt schauen lässt.

Ist es nicht so, dass Jesus in jedem Menschen das Geheimnis Gottes, den Himmel geschaut hat. Auch im größten Sünder wohnte für ihn Gott. „Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!“ Joh. 8,11b

So kann Bernhard Hemmerle, der verstorbene Bischof von Aachen formulieren:

„…Meine Begrenzung, mein Scheitern, meine Unsicherheiten sind Gottes Ort in der Welt. … Wo ich an meine Grenzen stoße, da stoße ich in der Tat an IHN, da ist der Grund nicht zu weniger, sondern zu mehr Hoffnung. Meine Grenzen annehmen, heißt IHN annehmen, Gott in meinen Grenzen. Und zugleich in meinen Grenzen Gott. Was ich in meinen Grenzen den anderen zu geben vermag, ist unendlich viel weniger als was sie brauchen und was sie beanspruchen. Und doch wohnt in diesen meinen Grenzen und gibt sich in diesen meinem Mich – Geben Gott.“

„Gott in meinen Grenzen – in meinen Grenzen Gott“ – Jesus hat den Menschen ihre hohe Würde und Berufung zurückgegeben. Er hat bedingungslos daran festgehalten, dass in jedem Menschen die Herrlichkeit des Himmels zugegen ist. 

Daran erinnert Angelus Silesius, wenn er sagt: „Der Himmel ist in dir: Suchst du Gott anderswo, du fehlst ihn für und für.“ Er spricht davon, dass der Himmel in uns ist und dass es unsere Aufgabe ist, diesem Geheimnis unser ganzes Leben lang auf der Spur zu bleiben. 

Unserer Menschwerdung auf der Spur, in der Nachfolge dessen, der Mensch wurde und sich entäußerte bis zum Kreuz um unseres Heiles willen. So leuchtet im Kerzenlicht von Weihnachten das Feuer von Ostern auf, im Holz der Krippe ist das Holz des Kreuzes vorgebildet. Menschwerdung bedeutet, dass Gott in Jesus Christus „Fleisch“ wird, damit wir „eingefleischte“ Christen werden, Menschen, die den geschäftlichen Lärm und inneren Geräuschpegel hinter sich lassen können, die still werden können und das Entscheidende von Gott erwarten, der uns im Advent in seine Nähe rufen will: Komm und sieh!

Neben dem zitierten Johanneswort sind die Worte des „Vater unser“ die schönsten Worte, die Jesus uns geschenkt hat. Wir werden sie neu hören in eine Vertonung von Rimski-Korssakoff in dem Vertrauen, dass all unsere Fragen bei ihm aufgehoben sind und er uns nicht im Dunkeln sitzen lässt, sondern uns zu seinem und unserem Geheimnis führt. Hören wir es in adventlicher Erwartung!

Lied: „ Vater unser“ vom Rimski – Korsakow 1844 – 1908 

Gebet: Ich liebe Dich, Gott, denn Du hilfst mir, 
aus dem Plunder meines Lebens nicht eine Schenke,
sondern einen Tempel zu machen;
aus den Werken meines Alltags nicht einen Vorwurf,
sondern ein Lied.

Roy Croft

(Lieder: Camerata Musica Limburg unter Leitung von Jan Schumacher)

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