Pater Roy lebt seit fünf Jahren in Deutschland und arbeitet als Priester in Nordhorn. Zuvor war er, selbst gebürtiger Haitianer, in den verschiedensten Ländern Lateinamerikas seelsorgerisch aktiv, u.a. auch in Mexiko und Brasilien. In seinem Vortrag ging Pater Roy auf die Geschichte seiner Heimat ein und berichtete, dass Haiti bereits 1804 durch eine Revolution seine Unabhängigkeit von der französischen Kolonialmacht erlangte. Allerdings musste das Land für seine Freiheit 80 Jahre lang hohe Summen an das ehemalige „Mutterland“ bezahlen. „Damit begann die Verarmung“, erklärte Pater Roy dazu, „und heute ist Haiti der ärmste Staat Amerikas.“ Wie diese Armut aussieht, demonstrierte er nachhaltig durch seine Bilder: Abgeholzte Berghänge, Elendsviertel, die sich über die steilen, unwegsamen Hängen erstrecken, unterernährte Kinder, vom Erdbeben zerstörte Gebäude und rasch errichtete Zeltstädte waren da zu sehen. Dass 2010 so viele Menschen, nämlich ca. 300.000, durch das „schlimmste Erdbeben Amerikas“, getötet wurden, erklärte der Referent auch mit dem Umstand von fehlenden Wegen und Straßen in den Elendsvierteln, die für die Rettungskräfte damit unerreichbar blieben. In anderen Fällen rutschten ganze Häuserzeilen an den Bergen in die Tiefe und begruben die Bewohner unter sich.

Heftige Vorwürfe erhob der Pater Roy gegen die internationale Hilfe, die unmittelbar nach dem Erdbeben einsetzte. „Viel Geld wurde gesammelt, aber durch die Bürokratie und die Art der Organisation der Hilfe kam vieles nicht an“, meinte er verbittert. Insbesondere monierte er auch, dass die Haitianer kaum in die Wiederaufbaumaßnahmen integriert werden – und das weder in der Planung noch in der Durchführung der Projekte. Genau diesen Fehler will er mit seinem Bildungszentrum in der südhaitianischen Küstenstadt Jacmel vermeiden: Dort werden, finanziell unterstützt vom Pater Beda-Arbeitskreis, mehrere hundert Kinder und Jugendliche auf verschiedenste Weise von einheimischen Lehrern, Psychologen und Handwerkern betreut und ausgebildet. Etwa 100 Heranwachsende, die ihre Eltern durch das Erdbeben verloren haben, besuchen ein Internat, andere wiederum erhalten eine berufliche Ausbildung in haitianischen Betrieben, belegen Computerkurse oder nehmen an anderen außerschulischen Bildungsmaßnahmen teil. Für viele ist zudem die psychologische Betreuung wichtig, denn nicht wenige Heranwachsende sind durch die Erlebnisse während und nach dem Erdbeben traumatisiert. „Wir Haitianer sind durchaus dankbar für die vom Ausland geleistete Hilfe, aber wir müssen sie auch selbst bestimmen können“, meinte Pater Roy am Schluss der lebhaft geführten Diskussion, die sich an seinen Vortrag anschloss.

 

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