„Man muss versuchen zu verstehen, aber man muss nicht mit allem einverstanden sein.“ So benennt Josef Schleicher die richtige Einstellung zum Thema „Migration und Integration“. Er möchte Vorurteile abbauen, die Jugend motivieren, sich positiv mit den Fragen rund um Ausländer, Asylbewerber und Aussiedler auseinanderzusetzen. Zwei Tage lang ist er im Comenius-Kolleg zu Gast, arbeitet mit den jungen Leuten und zeigt am Beispiel der Deutschen aus Russland die oft schwierige Situation der Migranten.

Im Gepäck hat der 54-Jährige, der mit seiner Frau und zwei Töchtern vor 16 Jahren aus Russland nach Deutschland kam, eine vom Bundesministerium des Innern und des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge geförderte Ausstellung. 20 Tafeln über die Geschichte und die Gegenwart der Deutschen aus Russland, die mit Daten, Fakten und zum Teil berührenden Einzelschicksalen über die Problematik informieren.

Den Projektleiter Josef Schleicher kann man getrost als Beispiel für eine gelungene Integration bezeichnen. Er sei in einem deutschen Dorf in Sibirien geboren und habe erst als Schulkind erfahren, dass er in Russland lebe, erinnert er sich. Die Familie habe dort immer als Fremde gelebt. Erst als er als Enddreißiger nach Deutschland kam, habe er sich zu Hause gefühlt.

Umso wichtiger ist es ihm, mit Vorurteilen aufzuräumen. Er warnt davor, alle über einen Kamm zu scheren. Er höre oft von „den Russen“, erzählt Schleicher und findet diese Verallgemeinerung angesichts der 172 Nationen und ebenso vielen Sprachen in einem Land, das 48 mal so groß sei wie Deutschland, ebenso unangemessen wie pauschalisierende Äußerungen über „die Ausländer“ oder „die Asylbewerber“. „Wir treffen hier oft auf gegenseitige Arroganz“, hat Schleicher beobachtet und würde sich mehr Toleranz im Umgang der Kulturen miteinander wünschen.

Um die Studierenden des Comenius-Kollegs zu sensibilisieren, klärt der Referent erst einmal gemeinsam mit ihnen die Begriffe, erläutert, wie sich die Ansprüche von Ausländern, Asylbewerbern sowie Aussiedlern und Spätaussiedlern unterscheiden, und welche Auswirkungen diese Unterschiede auf die Integration der Menschen haben. So verhindere ein „Status auf Zeit“ während eines Asylverfahrens jede Integration, ist er überzeugt.

Die Integration als gleichberechtigte Teilhabe von Migranten am gesellschaftlichen Leben sei ein langfristiger Prozess, bei dem es darum gehe, die richtige Balance zwischen den Interessen der Einheimischen und der Zuwanderer zu finden, weiß der Referent – auch aus eigener Erfahrung.

 

Quelle: IVZ, 02.09.2014

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