Liebe Leserinnen und Leser,

nach meinem ersten Schuljahr als Schulleiter an diesem wunderbaren Kolleg kann ich sagen, es tut gar nicht weh.
Ich freue mich immer noch, morgens zur Schule zu kommen und meistens sofort mit Gesprächen im Kollegium zu beginnen. Ja, die meiste Zeit meiner Tätigkeit rede ich mit Kolleginnen bzw. Kollegen oder mit Studierenden.
Im Rückblick möchte ich aber nicht auf alle Ereignisse des Schuljahres eingehen, sondern ein Gespräch mit einem Studierenden besonders hervorheben, weil es mir in Erinnerung geblieben ist.

 Es begann mit der Frage des Studierenden, den ich nun schon fast 3 Jahre kenne und schätze: „Und wie fühlt man sich als Schulleiter?“
Ich habe ihm geantwortet, dass ich mich sehr wohl in meiner Rolle fühle und ich hoffe, dass ich mich persönlich nicht verändert habe.
Er entgegnete mir, dass ich ja eine Schule leiten würde, die als Auslaufmodell besteht.
Diese Gerüchte existieren tatsächlich in der Umgebung. Es entwickelte sich ein Gespräch genau über dieses Thema.
Wie sich alle Leserinnen und Leser denken können, kann und werde ich diesen Spekulationen nicht zustimmen und vielmehr versuchen, sie auch hier zu entkräften und hoffentlich sogar zu vernichten!
Der Studierende meinte mit Auslaufmodell, dass Erwachsenenbildung bei der Konkurrenz an Schulformen in der Umgebung (Berufkollegs) kaum noch zeitgemäß sei und hier viele Erwachsene anfangen würden, die das Kolleg nur als „Notfalllösung“ sehen.
Ich weiß, dass einige Studierende sich das Weiterbildungskolleg nicht aussuchen, weil sie als Lebensziel das Abitur oder das Studium haben. Dennoch sehen wir immer wieder bei diesen Studierenden, dass sich im Laufe des Kolleglebens eine neue Perspektive im Leben eröffnet. Genau für diese jungen Menschen sind wir da!
Haben wir nicht einen herausragenden Bildungsauftrag erfüllt, wenn wir einige Absolventen haben, die vor dem Kollegleben nicht wussten, was sie mit ihrem Leben anfangen sollten?

Wir sind genau für die Menschen da, die in ihrem bisherigen Leben nicht den Bildungszugang hatten wie andere.
Dazu kommt, dass wir durch die Integration von Studienkolleg und Kolleg eine Art der Inklusion betreiben, die auch bildungspolitisch hoch aktuell ist. Wir haben zwar kaum Menschen mit Behinderung, die wir inklusiv unterrichten, dennoch ist der Austausch unter den Kulturen und ein friedliches Miteinander wichtige Ziele in unser weltumspannenden Gesellschaft. In keiner anderen Schule in der Umgebung sind so viele ausländische Menschen aus mindestens 40 Nationen friedlich vereint.

So eine Schule kann kein Auslaufmodell sein. Als Nächstes komme ich zu seiner Sorge um die Finanzen des Trägers.
Auch ich habe keinen Einblick in die Finanzen der Schule, aber ich kenne den Träger nun auch schon einige Jahre und habe großes Vertrauen in ihn. Ich weiß, dass diese Ängste oder Gerüchte schon seit Bestehen des Kollegs existieren. Ich habe die feste Zusage des Trägers, dass das Kolleg langfristig, bei genügend hoher Studierendenzahl finanziell gesichert ist. Das bedeutet, mit diesem Vertrauen können alle seit mehr als 40 Jahren leben und in dieser Hinsicht war der Träger immer ein verlässlicher Partner.

Der Studierende sprach dann noch an, ob die Spenden nicht ausreichen würden, das Kolleg zu tragen.
Das Comenius-Kolleg hat einen großen Anteil an dem Erfolg vieler Menschen. (mehr als 3000 Absolventen). Leider wird das wohl irgendwann vergessen.
Unsere Freude ist immer groß, wenn Spenden von Ehemaligen eingehen.

Und nun komme ich auf das Vertrauen gegenüber dem Träger zurück. Ich kann nur für Vertrauen werben und weiß, dass der Träger Spenden für das Kolleg auch für dieses verwendet.
Und wenn wir uns dann in der Verwendung der Spenden, weiter der franziskanischen Bescheidenheit bedienen, ist das Kolleg noch über die nächsten Jahrzehnte hinweg eine wertvolle Bildungseinrichtung in der Umgebung.

Ein weiterer Grund für die Annahme über das Auslaufmodell des Studierenden war, dass die Studierendenzahlen immer weiter zurückgehen und so das Kolleg irgendwann schließen muss.
Zu den sinkenden Studierendenzahlen kann ich Folgendes sagen. Natürlich sind auch wir von dem demografischen Wandel der Gesellschaft nicht abgekoppelt, dennoch ist der Rückgang der Zahlen nicht so dramatisch wie an anderen Schulformen. Alle allgemeinbildenden Schulen sind zu einem großen Anteil von der Geburtenrate bzw. Zu- und Abwanderung abhängig.
Das sind wir nicht!
Wir sind auch nicht direkt diesem Konkurrenzkampf ausgesetzt. Zu uns kommen Personen, die im ersten Bildungsweg das Abitur nicht erreicht oder angestrebt haben, aus den verschiedensten Gründen. Natürlich haben heutzutage schon bedeutend mehr Menschen ihr Abitur im ersten Bildungsweg erreicht, aber dennoch gibt es immer noch genug junge Menschen, die nach der „normalen“ Schule erst andere Wege gehen und so auf den zweiten Bildungsweg angewiesen sind.
Zu den Studierenden am Kolleg kommen dann noch die ausländischen Studierenden am Studienkolleg. Für diese Schulform brauchen wir im Moment keinerlei Werbung zu machen, da die Bewerberzahlen so hoch sind, dass wir nur ca. 15% der Interessenten aufnehmen können.

Nach dem anregenden Austausch können wir beide nun weiter zuversichtlich in die Zukunft schauen und so verbleibe ich

mit bescheidenem Gruß.

Thorsten Bahlmann

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