Amazonien in Gefahr

Die Sommerferien sind ein guter Anlass, einen raschen Blick auf das vergangene Semester zu werfen. Welche wichtigen Ereignisse hat es gegeben? Also: Vom 25. bis zum 27. Februar fanden die Eine-Welt-Tage statt, bei denen neben der Beschäftigung mit fair bzw. unfair gehandelten Textilien Tanz, Gesang und Vokalmusik einen großen Raum einnahmen.

Zur gleichen Zeit besuchte der brasilianische Künstler und Verwaltungsfachmann Reneé Amorim das Kolleg und berichtete im zweiten Semester über seine Tätigkeit als Koordinator des Straßenkinderprojekts „Casas Taiguara“ in São Paulo. Diese seit genau zwei Jahrzehnten bestehende Organisation ist mittlerweile wegen ihres ganzheitlichen Betreuungsansatzes landesweit bekannt und wird als eine der besten Einrichtungen ihrer Art überall in Brasilien geschätzt. „Casas Taiguara“ verhilft vielen Kindern und Jugendlichen, die auf der Straße leben, durch ein breit gefächertes schulisches, soziales und pädagogisches Programm zu einer Rückkehr in die Zivilgesellschaft.

Am 12. Mai konnten wir dann eine kleine Delegation aus Nordostbrasilien begrüßen. Adeodata dos Anjos und Neto Santos berichteten über ihre Arbeit in der Initiative „Mandacaru“, die sich für Landlose und Kleinbauern im Trockengürtel des Sertão stark macht und ihnen zu einem gesicherten Landbesitz und zu einem freien Zugang zum Trinkwasser verhilft. Außerdem ist Adeodata die neue Leiterin der Ökoschule Thomas a Kempis, die vor allem Kindern aus sozial benachteiligten Familien zu einer vernünftigen schulischen Ausbildung verhilft. Aber nicht nur das: Durch die Vermittlung praktischer Kenntnisse im Gartenbau, in der Kleintierzucht und in der Imkerei wird den Heranwachsenden das Rüstzeug an die Hand gegeben, damit sie im und mit dem Sertão leben können. Dadurch wird mit Erfolg verhindert, dass diese Kinder später als Erwachsene ihre Heimatregion verlassen und schlecht bezahlte Beschäftigungen in einer der Metropolen des Landes annehmen müssen.

Werfen wir nun einen Blick auf das Wintersemester 2015/16: Die Eine-Welt-Tage sind für den 2. bis 4. September geplant. Mehrere Teams innerhalb der Eine-Welt-Gruppe haben sich bereits gebildet und bereiten diese Tage mit vor. Außerdem sammeln wir noch brauchbare Dinge wie kaum zerlesene Bücher, gut erhaltenes Kinderspielzeug und Kleider. Sie sollen im Herbst auf einem Flohmarkt verkauft werden, um damit die Kasse der Arbeitsgruppe aufzufüllen. Diesem Ziel dient auch weiterhin der Verkauf von Kaffee und Brötchen, den einige Mitglieder von uns im Wechsel mit dem ASTA jede zweite Woche organisieren. Das hat im gerade erst zu Ende gegangenen Sommersemester gut geklappt. Durch den Kaffeeverkauf und andere Aktivitäten kam so viel Geld zusammen, dass wir 150.- € für Erdbebenopfer in Nepal und insgesamt 450.- € für unsere brasilianischen Projekte in Amazonien und in Nordostbrasilien spenden konnten. Weiterhin sind wir darum bemüht, dass in der Eine-Welt-Arbeitsgruppe nicht nur Kollegiaten, sondern auch Studienkollegiaten mitarbeiten. Auch in dieser Beziehung machten wir im letzten halben Jahr gute Erfahrungen, denn immerhin waren fünf Studierende aus Kirgistan, Venezuela, Kolumbien, Peru und Ecuador feste und zuverlässige Mitglieder der Gruppe. Ich bedanke mich an dieser Stelle noch einmal für ihr Engagement.

Vielleicht wird sich im November oder Dezember eine Delegation des Mundurucu-Volkes aus Amazonien in Deutschland aufhalten und an der Konferenz der hiesigen Brasilien-Solidaritätsgruppen vom 27. zum 29. November in Höchst im Odenwald teilnehmen. Sollte das der Fall sein, werden wir die Mundurucu zu einem Vortrag an das Kolleg einladen. Nachdem die brasilianische Regierung gegen den Willen der Mehrheit der ortsansässigen Indianer und vieler anderer Bewohner den Staudamm Belo Monte am Rio Xingu im Bundesstaat Pará errichten ließ, will sie nun für die bessere Energieversorgung des südlichen Teils des Landes Dutzende von weiteren Flüssen in Amazonien aufstauen. Damit gefährdet sie nicht nur die Existenz des Regenwaldes, sondern auch das Überleben der dort seit Jahrhunderten ansässigen Indianervölker. Unmittelbar betroffen von diesem Staudammwahnsinn sind auch die Mundurucu. Deshalb protestieren sie schon seit Monaten gegen die ersten technischen Untersuchungen in ihren Wäldern. Die Eine-Welt-Gruppe, die schon vor einem Jahr 1500.- € sammelte, um die Protestbewegung gegen die Staudämme zu stärken, setzt diese Arbeit fort und erklärt sich insbesondere mit dem Kampf der Mundurucu solidarisch.

 

Bernd Lobgesang

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