„Wir brauchen einen Ansprechpartner, der sich persönlich um die Belange der Menschen, die zu uns kommen, kümmert“, erklärt Bürgermeisterin Christina Rählmann. Die Frau oder der Mann sollte soziales Geschick haben und den Menschen unter anderem beim Einkaufen oder im Umgang mit Waschmaschine, Heizung und anderen Haushaltsgeräten helfen. „Er oder sie sollte auch einen Nagel in die Wand hauen können“, macht Rählmann deutlich, dass ebenfalls handwerkliche Grundkenntnisse gefragt sind. Ferner geht es um Integrationshilfe vor allem in Kindergärten und Schulen sowie die Organisation von Sprachkursen. „Wir suchen letztlich einen Kümmerer oder eine Kümmerin“, fasst die Verwaltungschefin zusammen.

Einen Arbeitskreis Asyl gibt es in Mettingen bereits. Die ehrenamtlichen Helfer sind mit großem Engagement dabei und bieten Sprachkurse an. Auch die Mitarbeiter in Sozial- und Ordnungsamt leisteten hervorragende Arbeit bei der Betreuung der Flüchtlinge. Rählmann: „Wir stoßen jetzt aber an unsere Grenzen.“ Deshalb wolle die Verwaltung eine auf ein Jahr befristete, halbe Stelle einrichten. Damit werde ein zentraler Anlaufpunkt geschaffen, sagt Rählmann. Um für die Flüchtlinge sorgen zu können, gebe es Fördermittel vom Bund. Davon kommen in Mettingen aber mal gerade 77 000 Euro an, erläutert die Bürgermeisterin. Dennoch will die Kommune dafür sorgen, dass sich die Asylbewerber in der Tüöttengemeinde so gut wie möglich zurecht finden.

Am Mettinger Comenius-Kolleg ist die Situation der Flüchtlinge ebenfalls ein Thema. Bei den Eine-Welt-Tagen für die Erstsemester im Schultenhof beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe mit der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen in Deutschland. „Zuerst geht es um theoretische Fragen, beispielsweise das Asylrecht“, erklärt Lehrerin Marion Finkmann. Sie leitet den Projektkursus zusammen mit ihrer Kollegin Steffie Schwaninger. Für Donnerstag steht eine Begegnung mit Asylbewerbern in Osnabrück auf dem Programm. „Wir wollen erfahren, welche Einzelschicksale hinter den Zahlen stecken, die wir täglich lesen können“, sagt Finkmann. Die Integration vieler Menschen aus den unterschiedlichsten Nationen ist für den Betrieb des Comenius-Kollegs seit Jahren tägliches Geschäft. „Damit haben wir nie Probleme gehabt“, sagt Schulleiter Thorsten Bahlmann. Im Schnitt besuchen Studierende aus 40 Nationen das Weiterbildungs- und Studienkolleg.

Bahlmann ärgert sich aber darüber, dass das Kolleg Flüchtlinge nicht unterrichten darf. Das gehe erst, wenn sie als Asylbewerber anerkannt sind. Dieses Verfahren daure aber nach wie vor viel zu lange, kritisiert der Schulleiter. Wenn man die Asylbewerber schneller ausbilden könnte, wäre bei der Integration vieles leichter. Denn Bildung, betont Bahlmann, spiele in diesem Prozess eine große Rolle.

Gewalt gegen Flüchtlinge führt auch bei Psychiater zu Kälteschauer

Anschläge auf Asylbewerberheime haben in diesem Jahr in Deutschland stark zugenommen: Laut Bundesinnenministerium wurden bis Juni 150 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte registriert. Die Bilder von Übergriffen auf Flüchtlinge und Attacken auf Asylbewerberunterkünfte unter anderem in Niedersachsen und Sachsen beschäftigen auch Dr. Thomas Heinz.

Der Psychiater und Trauma-Therapeut wohnt seit 2013 in Mettingen. Er steht an der Spitze der beiden katholischen Suchtkliniken in Visbek und Neuenkirchen im Landkreis Vechta. Der Blick auf die Taten, beispielsweise in Berlin, als Rechtsextreme auf die beiden Kinder einer zugewanderten Frau urinierten, ließen ihm einen „Kälteschauer“ über den Rücken fließen, sagt Heinz. Als Therapeut frage man sich, was die Quelle für diese rassistische Feindseligkeit ist.

Er glaube, dass es unter anderem an mangelndem Wissen und auch an mangelnder Empathie liege. Also der Fähigkeit, sich in einen anderen Menschen einzufühlen, sich beispielsweise in die Notlage von Bürgerkriegsflüchtlingen hinein zu versetzen. Davon innerlich nicht angerührt zu werden, sei für ihn kaum nachvollziehbar. Hinzu komme der Mangel an kognitiver und emotionaler Bildung. Da stelle sich zum Beispiel die Frage, was diese Menschen aus den vergangenen 50 Jahren deutscher Geschichte mitbekommen haben. Viele Bundesbürger haben selbst Flucht und Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg erlebt.

Heinz würde aber Menschen, die derartig gewalttätig sind, aber nicht automatisch als psychisch krank bezeichnen. „Sicher gibt es verrohte und emotional sehr kalte Menschen. Ob man sie alle aber als persönlichkeitsgestört bezeichnen kann, das würde ich nicht sagen“, erklärt der Trauma-Therapeut. Denn das würde auch die Menschen stigmatisieren, die tatsächlich eine psychische Erkrankung wie eine Psychose haben. Das fanatische Gedankengut werde ein Psychiater aus medizinischer Sicht nicht wegtherapieren können, erläutert der Klinik-Chef.

Thomas Heinz sieht in der persönlichen Begegnung mit Flüchtlingen den zentralen Schlüssel, solche Ausschreitungs-Phänomene langfristig zu verhüten. „Fremdes macht uns allen zunächst Angst. Es verunsichert uns, stellt Gewohntes infrage“, sagt er. Wenn man aber mit dem ersten Syrer, mit dem ersten Menschen aus Eritrea gesprochen habe, sei diese Angst verschwunden.

Quelle: IVZ, 03.09.2015

 

 

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